live Mitschnitt: Klang-Performances durch experimentelles Mapping sensorischer Daten

Das Praxisseminar „Experimentelles Mapping sensorischer Daten” hatte eine körperzentrierte Perspektive auf Musiksoftware zum Inhalt. Ziel war es, eine Kurzperformance zu erarbeiten, in der ein digitaler Klangprozess mit selbst konfigurierten Interfaces konzipiert, entwickelt und gespielt wird. Anders als bei der Arbeit im Tonstudio ging es hier nicht um das fertige Klangergebnis, sondern um das Improvisieren mit dem instrumentalen Potenzial einer Konfiguration (etwa aus Software und Interfaces wie etwa Smartphones, MIDI Controllern und Kontaktmikrofonen). Die Ergebnisse wurden im Juli 2022 in einem öffentlichen Konzert im ASta Wohnzimmer der Leuphana präsentiert. Die Video- und Textdokumentationen der Projekte sind hier zu sehen.

Cello Con Echo

von Sara Kanarski & Alisha Kadiatou Coné

Die unterliegende Aufgabe der individuellen Seminarprojekte war es, mit bestimmten Werkzeugen ein experimentelles Klangkonzept zu erstellen, welches wir abschließend im Format einer improvisierten Performance präsentieren sollten. Die wichtigsten zu nutzenden Werkzeuge waren hierbei (Kontakt)-Mikrofone, das MIDI-Mapping unterschiedlicher Effekte mit Hilfe von Controllern und die Nutzung des eigenen Smartphones, sowie der sensorischen Daten, die dieses generiert mit Hilfe einer OSC-App und dem passenden OSC Tool in Ableton. Die Performance sollte diese Tools beinhalten und in gewisser Weise eine geplante Improvisation sein. Bevor wir uns als Team zusammengefunden haben, haben wir beide individuell an unseren Projekten und Setups gearbeitet, jedoch immer wieder gemerkt, dass wir ähnliche, sich gar ergänzende Visionen von unseren Setups und Performances hatten. Wir beide hatten den Wunsch mit gängigen Instrumenten zu arbeiten, diese jedoch auf klanglicher sowie auf Nutzungsebene zu entfremden bzw. aus ihrem gewöhnlichen Kontext herauszuholen. Zusätzlich gab es den Wunsch die menschliche Stimme als Instrument wahr zu nehmen und mit dieser zu arbeiten. Am liebsten wollten wir alle Tools, die uns im Seminar gezeigt wurden, benutzen, jedoch haben wir schnell gemerkt, dass dies den Rahmen sprengen würde. Hier war es besonders hilfreich zu zweit zu arbeiten, da wir so die Möglichkeit hatten mehr Tools zu benutzen und uns gleichzeitig intensiver auf diese einzulassen. Das Set-up von Alisha, welches einen besonderen Fokus auf die Arbeit mit ihrer Stimme hatte, bestand aus einem Korg Controller (NanoKontrol), einem Mikrofon mit Mikrofonständer sowie Popschutz und dem Laptop mit der Digital Audio Workstation Ableton. Grundlegend war die Vision hinter dem Setup, entweder sehr sphärische und wind-ähnliche Klänge oder perkussive Geräusche erzeugen zu können.

Dokumentation – Cello Con Echo (PDF)

Dialog im Monolog

von Jonas Riedel

Die Trompete ist ein handliches Instrument. Das Schallstück zeigt im besten Fall zum Publikum, um diesem den besten Klang zu gewährleisten. Als Spieler:in kann der Sound also in alle Richtungen fokussiert werden. Diese Eigenschaft nutze ich, um das Instrument, digital augmentiert, zur Dialogpartnerin zu machen. Zu Beginn der Performance wird eine Phrase in eine endlose Hallkammer gespielt, deren Lautstärke rhythmisch moduliert wird. Diese Phrase dient damit sowohl als harmonische als auch rhythmische Basis in der weiteren Performance. Durch verschiedene Dreh-, und Neigachsen kann ich wiederum mit der Hallkammer in Dialog treten und diese modulieren, während ich neue Phrasen und Ideen darüber improvisiere. So kann der Hallaspekt hervorgehoben werden, die Originalphrase nur moduliert zu hören sein oder der Klang durch einen Tiefpassfilter begrenzt werden. Im weiteren Verlauf wird die Trompete auch als Steuerung für einen digitalen Synthesizer genutzt, der durchgehende Achtelnoten spielt. Die Neigachse der Trompete bestimmt hier die Höhe der Noten. Die Trompete als akustisches Instrument wird in dieser Performance nicht nur durch ihre Spielweise zur Klangerzeugerin, sondern auch durch ihre Spielrichtung und ergänzt damit die gewohnten Ausdrucksmöglichkeiten um eine weitere Dimension.

Mon Espace Intérieur de Tranquilité

von Laura Großmann & Elisabeth Klingenberg

Unsere Performance befasst sich mit Prozessen des eigenen gedanklichen Raumes, mit inneren Dialogen, äußeren Impulsen und dem Spannungsfeld zwischen Ruhe und Anregung, indem wir uns in jedem Moment bewegen. Am Anfang unseres Projekts stand die Idee des „Inneren Raumes/Inneren Dialogs“ und folglich die Frage, wie dies klanglich und gestaltend umsetzbar sei. Einen klanglichen Ausgangspunkt bot ein Sprach-Sample „Mon espace intérieur de tranquilité“ (mein innerer Raum der Stille). Auf metaphorischer Ebene kann das Konzept des Raumes in unserer Performance auf vier Dimensionen erfahren werden.

Dokumentation – Mon Espace Intérieur de Tranquilité (PDF)

Die Felge

von Mika Steffan

Zum Hintergrund der Entwicklung von “Die Felge” ist erwähnenswert, dass ich in den vergangenen Jahren häufiger Field Recordings von Fahrrädern aufgenommen und in Produktionen inkorporiert habe. Mich fasziniert die die Vielseitigkeit der Klänge, die durch die verschiedenen verbauten Materialien erzeugt werden können. Auch faszinierten mich die Möglichkeiten, die ein Kontaktmikrofon bietet den Klang eines Objekts noch näher und originalgetreuer aufzunehmen, um ihn dann verfremden zu können. Aus diesen Inspirationen entstand die Idee für mein Fahrrad-Felgen-Instrument.In ersten Versuchen wurde das Smartphone in der Felge befestigt und diese wiederum an ihrer Achse an einem Mikrofonständer aufgehangen und dann versucht in Bewegung zu versetzen. Die Konstruktion erwies sich jedoch schnell als zu fragil, da durch das Smartphone Unwuchten entstehen, so dass die musizierende Person letztendlich immer mit einer Hand die Felge an der Achse festhalten müsste. Stattdessen wurde die Achse mit einem Stück Rohr verlängert, so dass sie komfortabel und mit genug Kontrolle an dem Rohr festgehalten werden und mit der anderen Hand in Bewegung versetzt werden kann.

Dokumentation – Die Felge (PDF)

Das Rad Neu Erfinden

von Marthe Mannott

Die ursprüngliche Idee und Ziel für das Projekt umfasste die Arbeit mit den Bewegungssensordaten eines Smartphones, welches die Hauptschnittstelle zwischen Instrument und Musiker*In darstellen sollte und durch einen herkömmlichen Midi-Controller, in diesem Fall eine Korg nanoKontrol2 um weiter Steuermöglichkeiten ergänzt wird. Das Smartphone sollte hierbei jedoch nicht das Objekt darstellen, mit dem interagiert wird, sondern in einen Alltagsgegenstand mit distinktiven akustischen Eigenschaften integriert werden, welches das „Instrument“ darstellt. Der Gedanke hierbei war einerseits, dass die Arbeit mit bewegungssensorischen Daten ein möglichst intuitives und kreatives Spielen des Instruments ermöglicht und der besagte Alltagsgegenstand durch seine physischen und mechanischen Eigenschaften den Input einiger Bewegungen ermöglichen bzw. auch erschweren würde und somit eine Reihe an spezifischen Spielweisen nahelegen würde. Eine weiterer Idee war außerdem, dass die, mit dem Alltagsgegenstand assoziierten typischen klanglichen Eigenschaften interessante musikalische, wie auch konzeptionelle Möglichkeiten bieten. So können zum einen natürlich die, während dem Spielen erzeugten, Klänge des Gegenstands mit einem Mikrofon abgenommen werden und als Grundlage der Klangerzeugung des Instruments genutzt werden. Zum anderen erlaubt die Assoziation eines Objektes mit spezifischen Klangeigenschaften ein Spiel mit diesen in der Konzeption des Instruments. So kann die erzeugte Erwartungshaltung beim Publikum, wenn es das Objekt sieht, erfüllt werden, bspw. durch die Mikrofonierung des Objektes, aber auch mit ihr gebrochen werden, bspw. wenn das Objekt nur Teil des Interfaces ist und die tatsächliche Klangerzeugung basierend auf Samples oder Soundsynthese stattfindet und Klänge erzeugt, die stark von den mit dem Objekt assoziierten Klängen abweichen. Was wäre zum Beispiel, wenn ein paar Klanghölzer anstatt perkussiver Sounds plötzlich flächige oder sehr atmosphärische Klänge erzeugt? Die Wahl des Alltagsgegenstandes fiel im Entwicklungsprozess schnell auf eine Fahrradfelge, da sie die eben genannten Eigenschaften erfüllt: Verschiedene Bewegungsmöglichkeiten einer Felge sind vorstellbar, jedoch ist es die intuitivste, sie sich drehen zu lassen. Dreht sich die Felge schnell genug entwickeln sich durch die rotierende Masse deutlich spürbare Trägheitskräfte versucht man sie in anderer Art und Weise zu bewegen, welche dem Instrument möglicherweise ein interessantes Eigenleben einverleiben könnten. Des Weiteren werden Fahrradfelgen mit Fahrrädern und diese wiederum mit einer Reihe an sehr distinktiven Klängen assoziiert: Bremsenquietschen, Reifen auf Asphalt, das Rattern von Gangschaltungen, Ketten und Leerlaufmechanismen. In ersten Versuchen wurde das Smartphone in der Felge befestigt und diese wiederum an ihrer Achse an einem Mikrofonständer aufgehangen und dann versucht in Bewegung zu versetzen. Die Konstruktion erwies sich jedoch schnell als zu fragil, da durch das Smartphone Unwuchten entstehen, so dass die musizierende Person letztendlich immer mit einer Hand die Felge an der Achse festhalten müsste. Stattdessen wurde die Achse mit einem Stück Rohr verlängert, so dass sie komfortabel und mit genug Kontrolle an dem Rohr festgehalten werden und mit der anderen Hand in Bewegung versetzt werden kann.

Dokumentation – Das Rad Neu Erfinden (PDF)

Dokumentation der Praxisprojekte aus dem Seminar: Improvisation, Sound Design, Interfaces: Experimentelles Mapping sensorischer Daten
Leuphana Universität Lüneburg
Dozent: Andi Otto
Sommer 2022