von Jan-Alexander Krause
Die Klanginstallationen ‚Call For Action*‘ und ‚Verbindung wird hergestellt…‘ interagieren mit den Mobilgeräten ihrer Betrachter*innen und beleuchten dabei unterschiedliche Aspekte der Beziehung zwischen dem Mensch und seinem medientechnischen Kommunikationsmittel. Dies gelingt unter anderem durch einen Rückblick in monophone Zeiten sowie durch die Offenlegung von lautlosen Operationen des Mobilgeräts (s.Videos).
Die Installation ‚Call For Action*‘ von den Masterstudent*innen Finn Joris Brunken, Lukas Iden, Monja Langemeyer, Lucas Schröder und Sophia Tobis schreit nach Aufmerksamkeit und trifft dabei den schrillen Ton der längst verjährten Jamba! Spar-Abo TV-Werbung. Comic-Maskottchen werben für mono- sowie polyphone Klingelton-Abonnements und versprechen mit einer Menge Bling-Bling und Glitzer das eigene Mobilgerät klanglich um ein Vielfaches aufzuwerten. Untermalt wird die Szenerie von einem geloopten Arpeggio im Stile eines simplen wie penetranten Klingeltons.
Aus der Zeit besagter Jamba! Spots stammen auch die drei Handys mit großen Nummerntasten und pixeligen Displays, die für die Inszenierung reaktiviert wurden und mit jeweils eigener Nummer anwählbar sind. Entgegen der Erwartungen ertönen bei Anruf jedoch nicht die prägnanten Klingeltöne der Geräte selbst, sondern wesentlich komplexere Klangsequenzen, welche sich rhythmisch und harmonisch zu dem Klingelton-Arpeggio im Hintergrund ergänzen.
Dazu Lukas Iden: „ Die ursprüngliche Inspiration für den Klang der Installation waren die Produktionen von Life Sim, vor allem der Track I.D.L., der im Prinzip wie der ruhige Moment in einem Trance- Song ist, bevor die Kickdrum wieder einsetzt. Dieser Moment wird jedoch mit vielfältigen Variationen des Spannungsaufbaus auf beinahe sechs Minuten gestreckt, ohne dass die 4-to-the-floor Kickdrum jemals einsetzt. Somit ist die Klangästhetik von Call For Action* ebenfalls von Trance inspiriert und bedient sich generell stilistischen Mitteln der elektronischen Tanzmusik, die dazu verwendet werden, Spannung aufzubauen und deren Auflösung zu suggerieren.“
Zur Auflösung komme es jedoch trotz beliebig vieler Anrufe nie, so Iden. „Vielmehr geht es darum, die Festschreibung und gleichzeitige Arbitrarität kultureller Kontexte durch technische Medien aufzuzeigen. Die technisch-kulturellen Rahmungen zeigen sich dabei immer im Nicht-Eintreten von Erwartungen. In der Enttäuschung über einen fehlenden Drop zeigt sich, wie musikalische Strukturen kulturell gefestigt sind. Die Überraschung darüber, dass das Anrufen der Handys keinen polyphonen Klingelton erschallen lässt, offenbart die Verknüpfung medientechnischer Geräte mit gewissen Klangereignissen.“
Etwas diskreter agiert die Installation ‚Verbindung wird hergestellt…‘ von Merle Bertram, Frenz Jordt, Robert Haase und Alex Krause. Optisch inszeniert als Skulptur mit menschlichen sowie maschinell-technischen Formen, verarbeitet die Installation – ganz ungefragt – die Handystrahlung ihrer Betrachter*innen. Ausgerüstet mit Antenne, Arduino und Lautsprechern reagiert die Skulptur auf die elektromagnetischen Strahlungsimpulse in nächster Nähe und tritt dadurch von selbst in Interaktion mit ihrem Publikum.
Wird elektromagnetische Strahlung empfangen, beginnt die Skulptur mit einer maschinellen Stimme zu sprechen und plaudert sensible Informationen aus. Mit Meldungen über den Beziehungsstatus, den Wohnort, Vorstrafen, die Kreditwürdigkeit, die letzte Google Suche und vieler weiterer persönlicher Angaben wird suggeriert, dass die Skulptur die Mobilgeräte der umstehenden Personen ausließt und deren Daten öffentlich macht. Gleichzeitig scheint es, als würden die unzusammenhängenden Informationen sich zu einem abstrakten Profil formen.
Inspiriert ist die Idee für die Installation durch das klangliche Phänomen, welches sich ergibt, wenn beispielsweise der Empfang von einem einfachen Küchenradio durch die elektromagnetische Strahlung von Handys und Smartphones gestört wird – dies äußert sich in einem rhythmischen Störgeräusch über den Radiolautsprecher. Das spannende daran ist, dass das lautlos stattfindende Übertragen und Empfangen von Daten bei Mobilgeräten in diesen speziellen Momenten hörbar wird. Konzeptionelles Ziel der Entwickler war es daher, das stille und permanente Agieren der Mobilgeräte hörbar zu machen und auf die sensiblen Inhalte zu verweisen, welche dabei übermittelt werden können.
Beide Installationen gehen als Artefakt aus dem Seminar Klang, Raum, Bewegung hervor, welches sich mit der Theorie und Praxis auditiver Gestaltung in interaktiven Umgebungen beschäftigte.