Fritjof Mangerich, 2020 (Ausschnitt „Arseny Avraamov – Symphony of Factory Sirens“, 1922)

Maria Muro

In Kolumbien, 2021, 04:08 Min.

Klangkomposition auf der Grundlage von Archivmaterial aus Nachrichten, digitalen Störgeräuschen, verzerrten Stimmen. Die Komposition ist Teil des Projektes „SOundS Kolumbien“.

Die Arbeit entstand im Rahmen des Seminars „Sweet Noises – Hybrid Musicking“ der Muthesius Kunsthochschule Kiel, geleitet von Sven Lütgen, Zentrum für Medien / Sound Studies / Intermedia an der Muthesius Kunsthochschule Kiel.

In Kolumbien

Die Arbeit In Kolumbien befasst sich mit der aktuellen Situation der Polizeigewalt in Kolumbien, die im Auftrag des Staates gegenüber Demonstrierenden ausgeübt wird. Der Fall SIG Sauer verdeutlicht dabei, dass auch scheinbar unbeteiligte Nationen – wie Deutschland – in diesen Konflikt verwickelt sind.

Maria Muro kommt aus Venezuela, fühlt sich aber als Lateinamerikanerin. Vieles verbindet die Menschen Lateinamerikas: Etwa die Sprache und ihre gemeinsame Geschichte, die bis heute von der Kolonialisierung geprägt ist. Hieraus erwachse ein Gefühl der Kollektivität, welches über Landesgrenzen hinweg für Solidarität sorge – so Muro.

Dadurch, dass Muro seit vielen Jahren in Deutschland lebt, hat sich bei ihr auch ein „europäisches Gefühl“ entwickelt, durch welches sie nun eine neue Perspektive auf das Verhältnis zwischen ihrer Heimat und Europa eingenommen hat. Ihre Erkenntnis ist, dass auch die Europäer*innen eine Mitverantwortung an dem tragen, was weltweit in „Drittländern“ geschieht.

SIG Sauer ist ein Beispiel dafür. Durch eine amerikanische Tochterfirma gelang es dem deutschen Unternehmen, Waffen über die USA nach Kolumbien zu verkaufen – ein illegales Geschäft, welches die Gewalt in Kolumbien unterstützte. Noch bis Ende 2020 betrieb der Waffenhersteller eine Produktionsstätte im norddeutschen Eckernförde. Das Werk wurde inzwischen geschlossen, nachdem die verbotenen Geschäfte des Unternehmens bereits 2019 zu Geld- und Freiheitsstrafen (auf Bewährung) führten. Doch Geld bringt die Opfer nicht zurück ins Leben. Und die Waffen – MADE IN GERMANY – sind noch immer in Kolumbien; noch immer in den Händen der Polizei, die mit ihnen weiterhin unterdrückt und tötet.

Die Klangkomposition In Kolumbien verarbeitet diesbezüglich Klänge, Wörter und Phrasen aus den Nachrichten. Es sind die Stimmen der Unterdrückten sowie ihrer Unterdrücker*innen, die in dieser Arbeit gegenübergestellt und erneut hörbar gemacht werden. Unterlegt werden die sprachlichen Fragmente von der Cumbia – einem kolumbianischen Musikstil. Die traditionelle Rhythmik wurde hierbei jedoch stark verfremdet, sodass nicht viel von der festlichen Stimmung der Musik bleibt. Stattdessen verstärkt sich die Bedrohlichkeit des Konflikts. Große Fragen bewegen die Komposition – etwa nach der Verantwortlichkeit anderer Nationen oder nach den rücksichtslosen Absichten der Wirtschaft. Muro fragt: „Wo gehen wir als Menschheit hin? Und was ist mit den Menschen dort in Kolumbien?“

An dem hochschulübergreifende Klangforschungsprojekt Sound in Transition unter der Leitung von Benjamin F. Stumpf haben die folgenden Institutionen mitgewirkt:

  • Künstlerhaus Lauenburg / Stadt Galerie
  • Leuphana Universität, Lüneburg
  • Muthesius Kunsthochschule, Kiel
  • ((audio)) Ästhetische Strategien
  • Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Schleswig Holstein

*Copy Right (Grafik): Fritjof Mangerich, 2020 (Ausschnitt „Arseny Avraamov – Symphony of Factory Sirens“, 1922)